Zur Situation der Chemnitzer Post, nach 1945

Abschrift eines Berichtes. Entdeckt in den Akten der Oberpostdirektion Chemnitz


von Patrick Lohse

Oberpostdirektion (10) Leipzig S 3, den 9. März 1946
Postschulamt

an die Ämter, TZA und BwKw (auch Bez. Chemnitz)

Postgeschichte

Die Zentralverwaltung für das Post- und Fernmeldewesen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands verlangt Bericht über die Kriegsereignisse. Zur Erleichterung für die Berichterstattung kommt es besonders auf die Beantwortung der hierunter aufgeführten 10 Fragen an.

1) Hat das Postgebäude vor der Besetzung durch Bomben, Geschützfeuer oder Sprengungen Schaden erlitten und welchen?

2) Haben deutsche Truppen oder Beamte die Fernmeldeanlagen zerstört und in welcher Weise?

3) Hat das PA vor der Besetzung eine Ausweichstelle aufgesucht und welche? Sind dadurch Verluste an Barmittel, Wertzeichen, Akten, Büchern usw. entstanden?

4) Wann fand die Besatzung statt?

5) Welche Stelle regte die Ingangsetzung des Betriebes an? (Stadt, Landrat, Amtsvorsteher?) Wann wurde der Betrieb wieder aufgenommen?

6) Wurden besondere Postwertzeichen in den Verkehr gesetzt und welche? Genaue Beschreibung der Briefmarken ist erwünscht, auch wer die Herstellung veranlaßt und ausgeführt hat. Falls noch möglich, sind Muster beizufügen.

7) Wieviel Kräfte beschäftigte das PA vor dem Zusammenbruch und wieviel sind ihm jetzt zugewiesen? Wieviel Pg’ mußten ausscheiden?

8) Wie hat sich der Post- und Fernmeldeverkehr nach der Wiederaufnahme entwickelt? Welcher Vomhundertsatz der Auflieferung vor dem Zusammenbruch ist erreicht?

9) Welche besonderen Schwierigkeiten waren beim Wiederaufbau zu überwinden?

10) Persönliche Erlebnisse vor und nach der Besetzung sind zu schildern. Die Berichte müssen bis zum 20.März genau hier vorliegen.

Leermeldung erforderlich.

G r a f


Postamt 1 (10) Chemnitz, 20. März 1946
C
Zur Vf v. 9.3. -Postschulamt-

Postgeschichte.

zu 1) Bei dem schweren Luftangriff am 5. März 1945 auf die Stadt Chemnitz ist auch das Postamt Chemnitz 1 fast völlig zerstört worden. Durch Abwurf von Brandmunition wurde das posteigene Dienstgebäude Poststraße 14 b bis auf das Erdgeschoß, das posteigene Dienstgebäude Poststraße 16 bis auf das Kellergeschoß, das posteigene Dienstgebäude Lange Straße 40 bis auf das Erdgeschoß und die posteigenen Dienst- und Wohngebäude Lange Straße 30, 34 und 36 bis auf die Kellergeschosse vernichtet. Im Hauptgebäude Lange Straße 40 waren insgesamt 9 Dienstzimmer und die Zeitungsstelle (Adremastelle) und im Mittelbau dieses Gebäudes die Packkammer, im Erdgeschoß Poststraße 14 b die Diensträume der Rundfunk- und Rentenstelle erhalten geblieben. In diesen erhalten gebliebenen Räumen wurde der zunächst völlig unterbundene Post- und Fernmeldeverkehr schon nach wenigen Tagen wieder eingerichtet und trotz der Störungen durch die inzwischen bis an das Stadtgebiet heranreichenden Kriegshandlungen auch nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen am 8. Mai ohne wesentliche Einschränkungen aufrechterhalten. Von 22 bis zum 5.3.1945 noch arbeitenden Amtsstellen des Postamts wurden das Zweigpostamt Chemnitz 2 und die Poststelle (Stadt) Nr. 28 völlig vernichtet. 8 Amtsstellen nahmen ihren Betrieb ab 9.3., 11 ab 12.3. und 1 ab 16.3.45 wieder in vollem Umfange auf. Ein großer Teil der vor allem im inneren Stadtgebiet gelegenen Amtsstellen hat mehr oder weniger größere Schäden am Mauerwerk und vor allem an Türen und Fensternerlitten. Da der Hauptangriff erst nach 20 Uhr erfolgte, nachdem dergrößte Teil der Belegschaft die Postgrundstücke bereits verlassen hatte, war die Zahl der Todesopfer mit 4 Toten verhältnismäßig gering. 3 Betriebsangehörige wurden verwundet. Die Zahl der in ihren Wohnungen betroffenen Betriebsangehörigen, die körperlich Schaden genommen hatten, betrug mit 140 Köpfen rd. 20. v.H. der Gesamtbelegschaft. An Wertzeichen wurden rd. 4 403 000 RM vernichtet. In Geldschränken verbrannten für rd. 754.000 RM Papiergeld. Von Ostern 1945 ab bis zum Einmarsch der russischen Besatzungstruppen wurde Chemnitz vom Westen her mehrmals mit Artillerie beschossen. Dadurch haben mehrere Amtsstellen und auch das Postamt Chemnitz 1 selbst geringfügigen Gebäudeschaden erlitten.

zu 2) Die im Postamt Chemnitz 1 vorhanden gewesenen Fernmeldeanlagen sowie das im gleichen Grundstück mituntergebrachte Unteramt Mitte waren bereits beim Luftangriff am 5.3.45 vollständig vernichtet worden. Eine Zerstörung vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen hat deshalb nicht stattgefunden.

zu 3) Das Postamt hat weder vor dem Großangriff am 5.3. noch während der darauf folgenden Zeit bis zur Besetzung am 8.5.45 Ausweichstellen aufgesucht. Verluste sind deshalb aus diesem Anlaß nicht entstanden.

zu 4) Die Stadt Chemnitz ist am 8. Mai 1945 von russischen Truppen besetzt worden.

zu 5) Die Ingangsetzung des Dienstbetriebs wurde nach dem Luftangriff am 5.3.45 durch mündliche und schriftliche Anordnungen der Oberpostdirektion Chemnitz geregelt. An Hand dieser Anordnungen wurden die Dienst- und Amtsstellen entsprechend angewiesen. Dank der bewiesenen Aufbauwillen des größten Teils der Belegschaft konnten die wichtigsten Betriebszweige nach dem Luftangriff am 5.3. schon nach wenigen Tagen wieder aufgenommen werden. Auch nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen am 8.5.1945 ging der bis dahin wieder aufgenommene Dienstbetrieb ohne wesentliche Einschränkungen zunächst weiter.

zu 6) Zum Freimachen der Sendungen wurden zunächst noch die vorhandenen Postwertzeichen mit dem Hitler-Kopfbild und die Dienstmarken I und II mit den beiden Hoheitsabzeichen der NSDAP verwendet. Diese Wertzeichen wurden auf Veranlassung der OPD Chemnitz ab 12.5. mit einem Gummistempel oder Korkstück so bedruckt, daß das Kopfbild bezw.das Hoheitszeichen unkenntlich wurde. Am 8. August beschlagnahmte der russische Kommandant diese Wertzeichen, die von diesem Zeitpunkt ab nicht mehr zur Freimachung benutzt werden durften. Für den Bereich der OPD Chemnitz wurde allgemein die Barfreimachung angeordnet, die etwa 6 Wochen später durch Verwendung von Postwertzeichen der Dresdner Ausgabe abgelöst wurde. Hier sind keine besonderen Postwertzeichen in den Verkehr gebracht worden.

zu 7) Vor dem Luftangriff am 5.3. waren beim Postamt Chemnitz 1 und seinen Amtsstellen insgesamt 714 Kräfte beschäftigt. Von diesen Kräften traten am 6.3. bereits wieder 132 (= 19 vH), am 7.3. 177 (= 25 vH), am 8.3. 243 (= 35 vH), am 9.3. 285 (= 41 vH), am 10.3. 343 (= 49 vH) und am 11.3. 417 (= 60 vH) ihren Dienst an. Heute beträgt die Personal-Iststärke 523 Kräfte. 298 Pg mußten ausscheiden.

zu 8) In den ersten Tagen nach dem Einmarsch der russischen Besatzungstruppen beschränkte sich der Annahmedienst nur auf gewöhnliche Postkarten und Briefe im Ortsverkehr. Ebenso wurden Postanweisungen nur nach Chemnitz Ort angenommen. Der Postscheckverkehr ruhte vollständig. Der Postverkehr mit Orten an den Eisenbahnstrecken Chemnitz-Roßwein, Chemnitz-Reitzenhain, Chemnitz-Annaberg, Chemnitz-Dresden(zunächst bis Freiberg) und Chemnitz-Aue wurde jedoch schon nach wenigen Wochen wieder hergestellt. Auch mit den von amerikanischen Besatzungstruppen besetzten Orten Rabenstein, Siegmar und Grüna konnte sehr bald Verbindung aufgenommen werden. Vom 8. August ab war die Einlieferung von Postsendungen auf gewöhnliche und eingeschriebene Postkarten sowie gewöhnliche und telegraphische Postanweisungen beschränkt worden. Behörden und Geschäftsleute konnten Briefe bis zum Höchstgewicht von 1 kg versenden. Wenige Tage später wurde auch den privaten Postbenutzern zugestanden, Briefe bis 20 g zu versenden, die aber zunächst offen eingeliefert werden mußten. Mitte September wurde die Versendung von verschlossenen Privatbriefen bis 500 g gestattet. Durch Verfügung der Zentralverwaltung für das Post- und Fernmeldewesen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 22.9. sind in der gesamten sowjetischen Besatzungszone die Postbenutzungsmöglichkeiten für den allgemeinen Verkehr und den für die Behörden bedeutend erweitert worden. Ab 20.2.1946 ist der Paket- und Päckchendienst wieder eingerichtet worden, der zwar zögernd angelaufen ist aber schon nach wenigen Wochen steigende Zahlen aufweist. Seit kurzem ist auch die Einlieferung von Wertbriefen -allerdings unter vereinfachten Verhältnissen in Bezug auf Inhalt und Verschluß- wieder möglich. Der Postscheckverkehr kann jetzt wieder innerhalb der sowjetischen Besatzungszone unbeschränkt stattfinden. Mit dem Einmarsch der Besatzungstruppen geriet auch der Verkehr der Posten sofort in´s Stocken. Der Briefein- und- abgangsdienst konnte zunächst nur mit den Vor- und Nachbarorten wiederaufgenommen werden. Bei Kriegsschluß gingen hier täglich noch 10 Briefposten ein, später dann nur noch 5. Infolge Mangels an Fahrzeugen beim Postamt Chemnitz 4 und wegen sonstiger Betriebsschwierigkeiten wurde der Zubringerdienst zum Postamt Chemnitz 1 erheblich erschwert. Nach Wiederingangsetzung des Eisenbahnverkehrs wurden auch schon nach wenigen Wochen die Bahnposten zunächst auf kleineren Nachbarstrecken, später auch auf den größeren und großen Strecken innerhalb der sowjetischen Besatzungszone wieder in Betrieb genommen. Die Zahl der eingehenden Posten stieg schnell. Der Umfang der eingehenden Post nahm aber erst dann wieder erheblich zu, als die Besatzungszonengrenzen fielen und Briefsendungen wieder innerhalb des früheren alten Postgebiets über alle Grenzen der bestehenden Besatzungszonen hinweg ausgetauscht werden konnten. Im Anfang galt es hier, noch große Mengen von Feldpost, die unterwegs liegengeblieben waren, an die Absender zurückzuleiten. Nach dem Abflauen der ersten großen Posten, mit denen zunächst die in den anderen Besatzungszonen angestauten Postmengen ausgetauscht worden waren, stieg die Zahl der eingehenden Sendungen schnell. Der Umfang der heute zugehenden Post beträgt ungefähr 2/3 von dem vor dem Zusammenbruch. Die Bahnposten verkehren heute wieder regelmäßig und, abgesehen von durch die Zeitumstände bedingten Verspätungen, auch pünktlich. Die Briefzustellung hatte durch die Kriegs- und Besatzungseinwirkung keine erhebliche Unterbrechung erlitten. Im Anfang genügte es, werktäglich eine Zustellung auszuführen. Wegen der hier vorherrschenden besonderen Verhältnisse, wie sie sich nach der Zerstörung des Kerns und eines großen Teils der Randgebiete einer Industriestadt im Zusammenhang mit dem Postverkehr darstellen, und auch wegen der äußerst schwierigen Raumverhältnisse sowie wegen personeller Schwierigkeiten wurde die bereits frühere in Aussicht genommene 2. Briefzustellung erst am 25.2.1946 eingeführt. Nachdem die Zubringerfahrten zwischen den in Bahnpostangelegenheiten betriebsführenden Postamt Chemnitz 4 und dem Postamt Chemnitz 1 einerseits und seinen sämtlichen Amtsstellen andererseits mittels Kraftwagens wieder hinreichend flüssig gestaltet werden konnten , ist auch bei den Amtsstellen die 2. Briefzustellung wieder in dem früheren Umfange aufgenommen worden. Die Zustellung an Sonn- und Feiertagen ruht gegenwärtig noch. Die Geldzustellung ist werktäglich einmal ununterbrochen durchgeführt worden, wenn auch die durch den Zusammenbruch des alten Staates hervorgerufene Erschütterung des Geldmarktes erhebliche Stockungen im Auszahlungsdienst zur Folge hatte. Der durch die Schließung der Banken usw. und das Zurückhalten des Geldes seitens der Bevölkerung hervorgerufene Bargeldmangel machte die Auszahlung der zahlreich vorliegenden Post- und Zahlungsanweisungen zeitweilig fast unmöglich. Der weitaus größte Teil konnte den vom Eingang dieser Sendungen benachrichtigten Empfängern erst nach wochenlanger Verzögerung ausgezahlt werden. Erst durch die Zusammenfassung der überschüssigen Gelder mehrerer größerer Ämter des Bezirks bei der Geldsammelstelle des Postamts Chemnitz 4 gestaltete sich das Auszahlungsgeschäft flüssiger. Erst in der ersten Septemberhälfte wurden die Stockungen völlig behoben. Das über den Mangel an Zahlungsmitteln Gesagte trifft auch für die Auszahlung der Renten und Bezüge des Personals zu. Durch die völlige Zerstörung der Schließfachanlage mit nahezu 1000 Schließfächern mußte die Abholung der Sendungen auf das gewöhnliche Abholverfahren umgestellt werden. Hierdurch wurde auch der Ausgabedienst erheblich erschwert. Von rd. 900 Schließfachinhabern sind rd. 200 vom Abholverfahren zurückgetreten. Postlagernde Sendungen werden weniger wie vor dem Zusammenbruch abgeholt. Der Postzeitungsdienst kam nach der Besetzung völlig zum Erliegen. Die erste von der OPD Dresden herausgegebene Zeitungspreisliste gab die OPD Chemnitz mit Vf vom 31.7.45 bekannt. Sie enthielt die "Amtlichen Nachrichten der Landesverwaltung Sachsen" und das "Amtliche Nachrichtenblatt des Rates der Stadt Dresden". Am 18.8., 23.8., 6.9. und 4.10. folgten Nachträge zu dieser Zeitungspreisliste. Das Bahnpostamt Dresden begann mit dem täglichen Versand der "Sächsischen Volkszeitung" als Postzeitungsgut am 15.8.45. Die "Sächsische Volkszeitung-Ausgabe Chemnitz-" ist die erste Chemnitzer Zeitung, die ab 1.10. wieder zum Postbezug zugelassen wurde. Ihr folgten als 2. Lokalzeitung ab 1.11. die "Amtlichen Bekanntmachungen der Stadt Chemnitz". Obwohl heute bereits fast sämtliche im russischen Besatzungsgebiet erscheinenden politischen Zeitungen durch die Post bezogen werden können, bleibt der Postzeitungsvertrieb ganz erheblich hinter dem Umfang vor der Besetzung zurück. Im Rundfunkdienst traten nach der Besetzung ebenfalls erhebliche Störungen ein. Der russische Kommandant ordnete nach dem 8. Mai die Beschlagnahme der Rundfunkgeräte und deren Ablieferung an die Polizeibehörden an. Im Juli wurden die Rundfunkgeräte zum Teil wieder freigegeben. Die Rundfunkstelle des Postamts wurde deshalb wieder in Betrieb genommen und hatte zunächst die Aufgabe, die Gebühren von rd. 2000 zum größten Teil neuzuerfassenden Hörern einzuziehen. Als im September eine weitere Freigabe von Rundfunkgeräten erfolgte, erhöhte sich die Zahl der Anmeldungen auf rd. 12000 Teilnehmer. Sie nahm auch in der Folgezeit noch ständig weiter zu und beträgt gegenwärtig rd. 22 500. Nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen nahm der Postsparkassendienst in Bezug auf Auszahlungen lawinenartig zu. Einzahlungen wurden nur in ganz geringem Umfange geleistet. Wegen Mangel an Barmitteln mußten die auszuzahlenden Beträge zeitlich und in Bezug auf die Höhe eingeschränkt werden. Sie wurden schließlich bis zu 20 RM im Monat herabgesetzt. Am 21. August 1945 wurde derPostsparkassendienst ganz eingestellt. Der Verkehr mit den Amtsstellen konnte nach dem 5.3.1945 zunächst nur durch Botenposten aufrechterhalten werden; erst ab 10.9. konnte wieder ein eingeschränkter Kraftpostverkehr eingerichtet werden. Das ZwPA Chemnitz 6 war bereits im Februar wegen Heizstoffmangel geschlossen worden. Die Poststellen (I) 27 und 29 wurden am 31.12., 31.10. und 30.9.44 aufgehoben und die Poststellen (II) Chemnitz 9 A, 9 B, 11 A, 14 A und 14 B aufgelöst. Der Fernsprechdienst mit den Amtsstellen war infolge erheblicher Zerstörungen im Kabelnetz lange Zeit überhaupt nicht möglich, was sich auf die Amtsführung außerordentlich nachteilig auswirkte. Erst Ende des Jahres 1945 konnten einige Amtsstellen wieder Anschluß an das Fernsprechnetz erhalten. Heute sind nur einige wenige Amtsstellen noch davon ausgeschlossen, sodaß der Annahmedienst für Telegramme sowie der öffentliche Fernsprechverkehr allgemein wieder reibungslos durchgeführt werden kann. Das Postamt selbst war nur mit 4 Dienstanschlüssen an das Fernsprechnetz angeschlossen, auf denen der gesamte Betrieb mehrere Monate nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen abgewickelt werden mußte. Der Telegrammannahmedienst sowie der öffentliche Fernsprechdienst konnten deshalb erst zu Anfang dieses Jahres wieder aufgenommen werden. Dem dringendsten Bedürfnis an Dienstanschlüssen ist inzwischen durch Wiederingangsetzung bezw. Neueinrichtung von weiteren 12 Fernsprechanschlüssen Rechnung getragen worden. Bei dem Luftangriff am 5.3.1945 wurde auch der größte Teil der Kassenbücher der Hauptkasse vernichtet. Die Kassenführung wurde dadurch erheblich erschwert.

zu 9) Bereits am 6.3.45 -am Tage nach dem Großangriff- , als es noch in allen Ecken brannte und schwelte, wurde zunächst mit den Aufräumungsarbeiten begonnen. Die Posthöfe, die Zufahrtswege und die erhaltengebliebenen Diensträume galt es von den Schuttmassen zu säubern. Die fast restlos zerstörten Fenster wurden mit zum Teil erhalten gebliebenen Doppelfenstern, Brettern, Pappen usw. verschlagen. Es wurden untergebracht: in den in der Lange Straße erhalten gebliebenen Räumen, der AV, 2 Abteilungsleiter, das Amtszimmer, die Personalstelle, die Zentralauskunftsstelle für Ausgebombte und die Hauptkasse; in der alten Adremastelle die Schalterstellen der Brief- und Geldannahme mit der Briefabgangsstelle und die Brief- und Geldausgabe mit den Abholerfächern und der Wertzeichenstelle; in der früheren Packkammer die Briefeingangsstelle und das Ortsbriefzustellgeschäft; in den früheren Räumen der Rundfunkstelle die Paketannahme, Ersatzstelle, Zeitungsstelle und das Geldzustellgeschäft. Für die Rundfunkstelle wurde die Gaststätte "Hubertus" Zwickauer Straße 142 angemietet. Das Lohnamt, der Betriebsobmann und Teile der Personalstelle fanden in den zum Teil erhalten gebliebenen Räumen im 1. Obergeschoß im Grundstück Lange Straße 40 auf engstem Raum Unterkunft. Die intaktgebliebene Sammelheizanlage gestattete, die wieder eingerichteten Diensträume mit den wenigen noch vorhandenen Brennstoffen notdürftig für den Rest des Winters zu beheizen. Nach Eintritt der wärmeren Jahreszeit wurden sogleich die Arbeiten an den schadhaften Dächern aufgenommen. Neben der Ausbesserung galt es hier, meist neue Notdächer herzustellen, um das überall eindringende Regenwasser abzudämmen, unter dem fast sämtliche Dienststellen schwer zu leiden hatten. Der Dienstbetrieb mußte zeitweilig unter- bezw. ganz abgebrochen werden. Infolge des immer mehr zunehmenden Briefeingangs mußte auf die Verlegung des Ortsbriefzustellgeschäfts in größere Räume zugekommen werden. Zu diesem Zweck wurde der Ausbau des früheren Briefträgersaals in 1. Obergeschoß im Grundstück Lange Straße 40 in die Wege geleitet, nach dessen Fertigstellung das Briefzustellgeschäft seit Februar d. J. wieder zufriedenstellend untergebracht ist. Für das etwa 500 Köpfe starke Personal waren nur 11 Spülabortbecken verwendungsfähig geblieben. Da zudem durch die Luftangriffe auch das Wasserleitungsnetz zerstört worden war, die Spülaborte somit nicht benutzt werden konnten, wurden, um gesundheitlichen Schäden für das Personal vorzubeugen und unhygienische Zustände im Postamt zu verhüten, in zwei getrennten Erdgeschoßräumen in den Trümmern des Grundstücks Lange Straße 36 leicht zugängliche Latrinen für Männer und Frauen errichtet. Heute sind die Klosettanlagen wieder in befriedigendem Umfange instandgesetzt. An den Aufbauarbeiten waren 3 Baufirmen beteiligt, die in der Regel nur einen Maurer- bezw. Zimmerpolier mit wenigen Hilfskräften stellen konnten. Der größte Teil der Arbeiten ist von posteigenen Kräften (Bautrupps) ausgeführt worden, die z. T. auch heute noch angesetzt sind, um Mängel zu beheben und Verbesserungen durchzuführen. Der Fortschritt der Arbeiten hatte vom ersten Tage an unter fehlenden Facharbeitern, schwer zu beschaffenden Baustoffen und Handwerkszeugen, vor allem jedoch aber auch unter dem Mangel an Verkehrsmitteln (Kraftwagen) zu leiden. An den umfangreichen Aufräumungsarbeiten beteiligte sich auch regelmäßig ein größerer Teil des Personal im freiwilligen Einsatz neben der Postdiensttätigkeit. Eine weitere Schwierigkeit bestand in der Beschaffung der unbedingt erforderlichen Möbel und sonstigen Dienstausstattungsgegenstände, die fast sämtlich beim Luftangriff vernichtet worden waren. Das unentwegte Bemühen, in den nun entgültig bezogenen Räumen mit dem Vorhandenen zu einigermaßen praktischen und auch ansprechenden Verhältnissen zu kommen, muß auch weiterhin noch festgesetzt werden. Seit Beginn dieses Jahres konnten sämtliche Annahmestellen in einem genügend großen Raum im Erdgeschoß leidlich gut untergebracht werden. Der dadurch freigewordene Raum soll der Aufnahme der schon vor dem Luftangriff nach Aue (Erz) ausgelagerten Adremastelle dienen. Die bessere Unterbringung des Geldzustellgeschäfts sowie der Rundfunk- und Rentenstelle wird durch bereits eingeleitete bauliche Veränderungen angestrebt. Ganz besondere Schwierigkeiten ergaben sich für die Verteilung und Zustellung bezw. Ausgabe der ankommenden Post durch die infolge der furchtbaren Zerstörungen auftretenden Anschriftenänderungen, die nicht immer von den Empfängern in der erwarteten Weise hier angezeigt, sondern vom Zustellpersonal usw. erst aufgespürt und dann für Nachfragezwecke karteimäßig festgehalten werden mußten. Die auf diese Weise erstellte umfangreiche Kartei mußte laufend betreut werden. Nach Ablauf einer angemessenen Zeit wäre es nur billig, für die Auskünfte, die heute nicht immer im Zusammenhang mit dem Postverkehr gefordert werden, eine besondere Gebühr zu erheben. Durch das etappenweise Ausscheiden aller Pg´s verlor das Postamt einen großen Kreis von Fachkräften, der Zug um Zug -soweit erforderlich- meist durch verwaltungsfremde Kräfte ersetzt werden mußte, die auf dem schnellsten Wege in dem unbedingt erforderlichen Umfange für Ihre Aufgaben geschult werden mußten. Die Schulung muß auch weiterhin fortgesetzt werden; sie muß vor allem auch für den jungen Nachwuchs mit Nachdruck betrieben werden. Wenn die besonderen Schwierigkeiten, die beim Wideraufbau zu überwinden waren bezw. noch zu überwinden sind, aufgezeigt werden, so soll abschließend auch der bewiesene Einsatzwille des weitaus größten Teils der Belegschaft gebührende Anerkennung finden, durch den allein es möglich war, allen Widerständen zum Trotz aus den Trümmern, die das zerschlagene Hitlerregime sowohl in sachlicher als auch in moralischer Beziehung hinterlassen hatte, bis zu dem heutigen beachtlichen Stand wieder herauszufinden. Das zum größten Teil ausgebombte Personal, das in den Randgebieten und zum großen Teil auch außerhalb des Stadtgebiets Zuflucht gefunden hatte, mußte neben der anstrengenden Dienstleistung in während des vergangenen Winters oft ungeheizten Räumen noch erhebliche zusätzliche Wegeleistungen verrichten, um zur Arbeitsstätte und wieder nach Hause zu gelangen. Mangel an Schuhwerk und sonstiger Kleidung sowie unzureichende Ernährungsverhältnisse trugen noch außerordentlich zur Verschärfung der persönlichen Sorgen der einzelnen Belegschaftsmitglieder bei, die sich auch weiterhin unablässig bemühen, den guten Ruf, der Deutschen Post wiederherzustellen.

zu 10) leer.

1) I,2 vorstehenden Bericht an OPD absenden.

2) Betr.-Gew.-Ausschuß z. K.

3) Z.d.A. 129-0. I. V.


Quelle: Patrick Lohse, Chemnitz, patrick-lohse@cbc-chemnitz.de

Parkerweiterung, mit Schule Rathaus Siegmar-Schönau
Das Hauptpostamt Chemnitz 1, nach der Zerstörung
am 5. 3. 1945, Ansicht von der Poststraße

Das Hauptpostamt Chemnitz 1, um 1905

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